Zum Titicaca See
Zum Titicaca See

Zum Titicaca See

Nach einer Woche Stadtluft zieht es uns in die Natur. Wir wollen zum Titicaca See und dann weiter nach Peru.

Der Titicaca See, an der Grenze zu Peru, ist einer der größten Seen Südamerikas. Er liegt auf 3812 m und ist der am höchst gelegene schiffbare See der Welt.

Aber La Paz zu verlassen ist gar nicht so einfach. Durch die Lage im Talkessel gibt es nach Norden nur den Weg durch El Alto über eine 4spurige Schnellstraße. Unser Navi hat eine Abkürzung gefunden und uns auf eine abenteuerlich steile Straße und dann mitten durch den Markt in El Alto geleitet. Die Straßen sind voller Menschen, die von allen Seiten an uns vorbei wuseln. Die Schirme der Marktstände ragen oft so weit in die Straße, dass wir nur durchkommen, indem wir die Leute bitten, den Schirm kurz zur Seite zu nehmen. Das stresst uns gewaltig, die Standbesitzer jedoch sind völlig gelassen. Sie erleben das wahrscheinlich ständig. Irgendwann werden auch wir ruhiger und genießen die Eindrücke.

Drei Stunden brauchen wir, bis wir die Stadt endlich hinter uns lassen.

Wie erholsam, auf der fast autofreien Straße durch die von hohen Bergen umgebene Ebene zu fahren.

Als dann der See so glatt vor uns liegt, dass sich der Himmel darin spiegelt, ist das ein unbeschreiblich schönes Gefühl. Ich bin so dankbar, hier sein zu dürfen, an einem Ort, der mir so exotisch und unerreichbar fern schien.

Wir finden für die Nacht einen Platz direkt am Wasser und bekommen ein fantastisches Sonnenuntergangsspektakel geboten.

Wir fahren in die Stadt Copacabana, nach ihr wurde der berühmte Strand in Rio de Janeiro benannt. In Tiquina nehmen wir die Fähre.

Das Städtchen Copacabana ist nicht so groß wie sein Pendant in Brasilien, aber es hat auch einen schönen Strand und in der Hauptsaison scheint hier die Post abzugeben. Die meisten Strandbuden sind noch geschlossen, aber einige Abenteuerlustige lassen sich vor Spaß kreischend auf großen Plastikkraken mit Vollspeed übers Wasser ziehen – und das bei echt erfrischenden Temperaturen. Am nächsten Tag treffen wir Christine und Horst. Die Beiden stehen mit ihrem LKW wie wir am Ufer mit wunderbarem Blick auf den See.

Copacabana ist auch ein Wallfahrtsort. Jedes Wochenende reisen Autobesitzer aus ganz Bolivien und Peru an, um ihre Vehikel hier, auf dem Platz vor der Basilika, segnen zu lassen. Das Spektakel möchten wir uns ansehen und folgen den bunt geschmückten Autos Richtung Kirche.

Da steht tatsächlich ein Priester und segnet die Autos mit Weihwasser und Alkohol. Die Bolivianer sind da ganz pragmatisch und leben eine Mischung aus ihrem alten Glauben und dem Christlichen.

Im See gibt es zwei Inseln, die Isla del Sol und die Isla de la Luna. Auf Empfehlung buchen wir eine Tour bei Vidal. Am frühen Morgen holt er uns ab und zusammen mit Ruth und Henning aus Kiel fahren wir mit dem Taxi zum Hafen. Dunkle Wolken ziehen am Himmel auf und für einen See herrscht ordentlich Wellengang. Das Boot sieht von Weitem ziemlich neu aus, aber von Nahem sieht man, dass es mit etwas Sperrholz und Farbe zur schnittigen Jacht umgebaut ist. Wir fahren zuerst auf die Isla de la Luna, die Insel des Mondes.

Auf dem 3 Quadratkilometer großen Eiland leben nur wenige Menschen, in der kleinen Schule feiern die acht Schüler gerade ihren letzten Schultag vor den Ferien.

Auf dem Sportplatz, auf dem wir stehen, war in den 1940igern ein Gefängnis, wie Alcatraz, sagt Vidal. Da hat hier außer den Gefangenen und den Angestellten des Gefängnisses niemand gewohnt.

Tatsächlich waren hier in dieser Zeit mehrere hundert aufständische Bauern interniert.

Wir wandern über den kleinen Hügel auf die andere Seite der kleinen Insel. Dort stehen die Ruinen einer Tempelanlage aus der Inkazeit. Hier lebte die Königin des Mondes mit ihren Anhängerinnen. Der Mond ist im Glauben der Inkas der weibliche Gegenpart zur männlichen Sonne und beide waren bedeutende Gottheiten.

Nach einem interessanten Vortrag von Vidal über Leben und Glauben der Bewohnerinnen des Tempels geht es weiter auf die Sonneninsel. Nach Sonne sieht es allerdings gar nicht aus. Unten am Steg liegt unsere kleine Nussschale und drei Männer der Insel helfen Vidal und unserem Kapitän, uns auf das im starken Wellengang auf und ab hüpfende Boot zu helfen.

Die Überfahrt zur heiligen Insel der Sonne erinnert mich stark an Schlechtwetter an der Nordsee, aber kaum haben wir unser Ziel erreicht, bricht die Wolkendecke auf und in der Sonne erscheint der See strahlend Blau. Hatte da einer der Götter seine Finger im Spiel?!

Die Sonneninsel galt für die Inkas als die Wiege ihrer Kultur und als diese dementsprechend wichtig. Im Tempel gibt es eine heilige Quelle und unterirdische Stollen bis zum Festland?, sagt Vidal. Wir gehen auf einen großen Platz mit super Aussicht über den See. Die Sonne scheint und mit den weißen Sandstränden könnte man meinen, wir wären in Griechenland.

Wir setzen uns um einen großen, flachen Stein. Der wurde von den Inkas als Opferstein genutzt. Jeden Monat wurde hier zu Ehren der Götter ein Lama geopfert und jedes Jahr zur Wintersonnenwende im Juni [kein Fehler, wir sind auf der Südhalbkugel] und zur Sommersonnenwende im Dezember eine Jungfrau von der Insel des Mondes.

Zwei Frauen jedes Jahr.

Da sind sie wieder, die Menschenopfer, die so tief verwurzelt sind in diesem  Glauben.

Während Vidal uns die Zeremonie erklärt und uns zu dem Felsen führt, an dem das Opfer aufgebahrt wurde, frage ich mich, was sie wohl gefühlt haben so kurz vor ihrem Tod. Waren sie betäubt oder spürten sie Entsetzen und Angst ? 

Trotz Sonne ist mir kalt und ich denke an die vielen Menschen auf der Welt, die im Namen aller möglichen Götter immer noch getötet werden.

Wir wandern über die Insel bis in ein kleines Dorf, die Kälte verschwindet und ich genieße die Sonne. Es ist schön hier, die Häuser sind mit Lehmziegeln gebaut, es blühen Rosen und Geranien in den Gärten und auf den Äckern wachsen Kartoffeln, dicke Bohnen, Zwiebeln. Auch hier ist ein Fest in der Schule zum Ferienbeginn, größer als auf der Mondinsel, mit Musik und Tanz.

Auf der Rückfahrt liegt der See glatt wie ein Spiegel. Im Hafen steht schon das Taxi bereit, um uns zurück nach Copacabana zu bringen, und als Abschluss lassen wir diesen insgesamt schönen Tag bei einem gemütlichen Essen im Restaurant ausklingen.

Schreib einen Kommentar