Auf roter Piste durch den Dschungel
Auf roter Piste durch den Dschungel

Auf roter Piste durch den Dschungel

Das Einzugsgebiet des Amazonas, das ist die Fläche, von der der auftreffende Regen irgendwann in den längsten Fluss der Erde fließt, ist sieben Millionen Quadratkilometer groß.

Das ist in etwa die Größe Australiens.

Wahnsinn!

Anfang des 20. Jahrhunderts wuchs hier noch tropischer Regenwald auf 6 Millionen Quadratkilometern, davon sind bis jetzt etwa 40 % gerodet.

Das ist auch Wahnsinn, weil, wenn das in dieser Geschwindigkeit weitergeht, er in hundert Jahren weg ist.

In Bolivien nimmt das Amazonasgebiet den gesamten Norden ein. Wikipedia schreibt, „es ist ein teilweise schwer erreichbares, feuchtes Urwaldgebiet.“ Im Reiseführer wird der Regenwald hier als einer der Ursprünglichsten und Artenreichsten beschrieben.

Jetzt ist aber Regenzeit und dann sind die Straßen nicht befahrbar. Lesen wir auch.

Wir suchen jemanden, der sich hier auskennt und finden im weltweiten Netz Francesco, einen 4×4 Tourenanbieter, der auch noch deutsch spricht.

Der sagt, kein Problem, mittlerweile sind die Straßen über weite Strecken asphaltiert.

Aber wenn ihr das ursprüngliche Bolivien sehen wollt, dann fahrt von Riberalta nach Hamburgo am Rio Beni, nehmt die Fähre über den Fluss und fahrt durch den Dschungel bis an die Grenze nach Brasilien.

Wir sind dankbar für den Tipp. Zwei Tage fahren wir über knallrote, staubige Pisten durch den Wald. Selten liegen kleine Dörfer am Weg.

Die Bewohner dieser Dörfer entlang des Rio Madre del Dios wohnen richtig abgeschiedenen. Wir beobachten, wie sie im Wald Wurzeln, Früchte oder Feuerholz sammeln.

Im Wald wachsen riesige Paranussbäume. Es ist Erntezeit und überall am Wegrand stehen mit Nüssen gefüllte Säcke zum Abholen bereit.

An manchen Flussufern oder kleinen Weihern liegen Bretter, manche mit kleinen Dächern. Wir fragen uns, wofür die sind; bis wir es dann sehen. Darauf sitzend, mit den Beinen im Wasser, wird Wäsche gewaschen.

Morgens ganz früh, wir schlafen noch, klopft eine Frau an unsere Tür. Die Kommunikation ist schwierig, unser Spanisch ist schon nicht so pralle und diesen Dialekt verstehen wir kaum. Irgendwann steht eine kleine Gruppe vor unserem Landy und gemeinsam klappt das mit der Verständigung. Sie fragen, warum wir im Auto schlafen, wir können auch zu ihnen nach Hause kommen. Da ist sie wieder, die südamerikanische Gastfreundschaft.

Am nächsten Abend finden wir auf der Suche nach einem Schlafplatz einen Weg durch den Wald bis an den Fluss. Der Platz wäre perfekt, aber da steht ein LKW mit einem großen Tank. Aus dem füllen gerade einige Männer Treibstoff in Fässer auf ein Boot. Das ist eine ganz merkwürdige Stimmung. Die gucken nicht wirklich freundlich. Wir beschließen, lieber weiter zufahren, und das Ganze zu fotografieren trauen wir uns auch nicht.

Das ist das allererste Mal auf unserer Reise, dass wir uns nicht sicher fühlen.

Am nächsten Tag sehen wir Saugbagger auf dem Fluss. Ich frage eine am Ufer wartende junge Frau was das für Boote sind. Die suchen Gold. Das ist illegal, weil man zur Gewinnung des Edelmetalls Chemikalien, u.a. Quecksilber braucht, die den Fluss vergiften. Vielleicht waren die Männer gestern Abend von so einem Bagger und deshalb nicht sehr erfreut über unsere Gesellschaft?

Schon im Madidi Park und jetzt, seit wir mit der Fähre übergesetzt sind, kommt uns ein stetiger Strom von Schmetterlingen entgegen. Die fliegen tatsächlich alle in eine Richtung.

Ich hatte schon von den Monarchfaltern gelesen, die in riesigen Schwärmen über 4000 km von den USA bis Mexiko wandern.

Ich suche im Netz, warum hier diese Schmetterlinge unterwegs sind. Ich finde nicht wirklich eine Antwort. Das passiert tatsächlich jedes Jahr zum Ende der Trockenzeit, sie fliegen entlang der Flüsse, sitzen oft ganz dicht auf Stellen im Schlamm, in denen sie wohl Mineralien aufsaugen.

Auf dem Bild sieht man nicht viele Schmetterlinge, manchmal fahren wir durch Wolken dieser Tiere

Als wir von unserem kleinen Umweg aus dem Dschungel auf die Ruta 13 abbiegen, die hier auch nur Staubpiste ist, wird der Verkehr wieder dichter. Zwischendurch sind kurze Abschnitte sogar asphaltiert. Und dann fängt es an zu regnen und die Straße wird zur rutschigen Matschpiste. Gert hat Schwierigkeiten, den Landy in der Spur zu halten, an vielen Stellen rutschen wir quer zur Fahrtrichtung durch den Matsch.

Es ist Heiligabend und mein Geschenk hab ich schon am Morgen bekommen beim ersten Kaffee, als ich die kreischenden Aras mit ihrem knallig rot und blau leuchtenden Gefieder beobachtet hab, ist ein riesiger, türkis schillernder Schmetterling vorbei geflogen. Das Foto von diesem schillernden Feenwesen habe ich in meinem Kopf.

Je weiter wir Richtung Brasilien kommen, desto größer werden die Haciendas mit riesigen gerodeten Flächen drum rum. Wir sind auf unserer Tour durch das Amazonasgebiet an riesigen, von Bränden oder Rodung zerstörten Wäldern vorbei gefahren, aber von irgendwas müssen die Menschen hier ja leben. Und haben wir, wo wir in Deutschland fast alle Wälder zerstört haben, das Recht, für das Gleiche die Menschen in Südamerika zu verurteilen?

Hier ein interessanter Artikel zum Thema

Wir erreichen heute die Grenze. Erstmal müssen wir eine kurze Strecke durch Brasilien, um nach Peru einreisen zu können. Hier im Norden gibt es leider keinen direkten Grenzposten zwischen Bolivien und Peru.

Ein wenig wehmütig verlassen wir das Land, denn hier hat uns gefallen :

  • die unglaubliche Vielfalt an wunderschönen Landschaften mit oft atemberaubenden Aussichten und abenteuerliche Pisten, die wir hier fahren durften.
  • die bunten Kartoffeläcker, alle in harter Handarbeit angelegt, an Hängen, die steiler sind als unsere Weinberge im Mittelrhein.
  • die kunstvoll gearbeiteten Trachten, die im Hochland von vielen noch täglich getragen werden
  • das chaotische La Paz und das Wiedersehen mit Paola
  • die uns fremde Kultur wird mich noch einige Zeit beschäftigen

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